Das Amalienschlösschen am Nymphengarten
Kennt jemand das Amalienschlösschen? Schon wenn man zu Fuß von Westen her aus der Kriegsstraße die Kurve in die Ritterstraße nimmt und zum Nymphengarten einschwenkt, steht man davor. Zumindest vor dem, was noch davon übrig geblieben ist. Denn nur noch ein Rest des Treppenaufgangs des Palais im Nymphengarten ist erhalten. Eine verwitterte Tafel weist auf das hin, was hier einmal stand. Doch diese ist kaum lesbar.
Ursprünglich war das Amalienschlösschen im Erbprinzengarten die Sommerresidenz der verwitweten Markgräfin Amalie. Doch allmählich zog sie diese Residenz dem Stadtpalais als Wohnsitz vor. Friedrich Weinbrenner errichtete das Gebäude zwischen 1801 und 1803 nach außen hin schnörkellos, offen und zur Gartenanlage frei gestaffelt.
Die bauliche Anlage wurde von Weinbrenner streng symmetrisch geplant, denn Pate für dieses Bauwerk stand die Villa rotonda von Palladio. Mit Rücksicht auf die Bausumme fertigte er einen einfachen Entwurf an; dennoch wurden die Kosten um ein Drittel überschritten. Wie man sieht, gab es dieses Phänomen der Wertsteigerung also auch damals schon.
Dem Hauptgebäude wurde ein Hof vorgelegt, um den sich vier eingeschossige, pavillonartige Wirtschaftsgebäude gruppierten. Eine Mauer bildete den westlichen Abschluss des Hofes und grenzte das Anwesen vom Geschehen der Ritterstraße ab. Hier befand sich das Entrée zum Grundstück, das axial zum Hauptgebäude lag. Über die Einfahrt fuhren Droschken und kleinere Fuhrwerke vor; der Stall (rechts neben der Einfahrt an der Ritterstraße) bot Platz für drei Pferde. Die Küche mit der Wohnung des Kochs befand sich in einem der Nebengebäude, ebenso getrennt jeweils die Räumlichkeiten des Gartenaufsehers und der Dienerschaft. Somit wurden lange Wege für die Angestellten vermieden und untereinander kamen sich die Bediensteten nicht ins Gehege.
Über einen als Quadermauerwerk ausgeführter Sockel wurde der Hauptbau optisch fest mit dem Boden verbunden. Die noch heute sichtbare Außentreppe führte vom Patio ins Schlösschen. Vom Eingangsbereich aus konnte wer wollte auf das Türmchen steigen und die Aussicht über das Anwesen genießen. Ein nach der breiten Gartenterrasse gelegter Saal, der von Wohnräumen und Gemächern umgeben war, bildete den Kernraum des Grundrisses. Seine Wände schmückten ein Figurenfries sowie Bilder nach Gemälden Raffaels. Die Decke zierte Balkenwerk mit mäßig vergoldeten Kassetturen; der Boden wurde aus Gipsmarmorestrich nach antikem Geschmack ornamentiert.
Amalie konnte den plötzlichen Tod ihres Gemahls, des Erbprinzen Karl Ludwig, nie verwinden und errichtete in der Südostecke des Gartens eine Gedenkkapelle mit gotischem Turm zu seinem Gedenken. Zur Plattform des Turmes führte eine Treppe mit 128 Stufen. Von der Turmzinne aus genoss man eine prachtvolle Aussicht auf die zu Füßen liegende Anlage und auf den Schwarzwald. Im Zuge der Umgestaltung der Kriegsstraße wurde der Turm allerdings abgebrochen.
Gartenbauinspektor Johann Michael Schweikkardt legte den dazugehörigen Park „in englischem Geschmack“ um 1788 an, der als ein Kleinod badischer Gartenarchitektur galt. Die gesamte Anlage war von einer Ahamauer umgeben und ist nicht mit der heutigen Anlage zu vergleichen.
Markgräfin Amalie, die fast nur das Sommerhaus und selten ihr Stadtpalais bewohnte, starb 1832 im Bruchsaler Schloss. 1836 begann man mit der Bebauung des südlichen Geländes an der Kriegsstraße, zehn Jahre später wurde die Kriegsstraße mit Bäumen bepflanzt, 1860 der Graben vor der Ahamauer aufgefüllt, 1866 der gotische Turm abgebrochen. Das Areal am Amalienschlösschen und der Erbprinzengarten sind 1891 von Gartendirektor Ries umgestaltet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Hierbei wurde der großzügige Brunnen mit der bronzenen Nymphengruppe des Bildhauers Heinrich Weltring errichtet. Zu diesem Anlass wurde die umgestaltete Anlage in den „Nymphengarten“ umbenannt, dessen Namen bis heute beibehalten ist.
Ab 1915 als Musikbildungsanstalt genutzt ist das Amalienschlösschen leider bei einem Bombenangriff im Februar 1944 zerstört worden. Es lohnte sich nicht mehr, dieses kleine Schmuckstück wieder in den Urzustand zurückzuführen. Nur noch das letzte Fragment des Treppenmönches behauptet sich gegen die Unbillen der Zeit…
(Text: Wolfgang Vocilka)
A. Einfahrt, B. Hof, C. Eingang, D. Vorplatz, E. Vorzimmer (dahinter jeweils sog. Ansprachzimmer und Schlafgemach und Arbeitszimmer), L. Terrasse, M. Küche, N. Wohnung des Kochs, O. Stall, P. Gartenaufseher, Q. Dienerwohnung, T. Wege
Blick auf das Hauptgebäude vom Innenhof aus gesehen
Schnitt durch das Amalienschlösschen und den Eingangsbereich an der Ritterstraße